Die Zeit der Ungewissheit
In den letzten Umfragen zeichnet sich ein interessantes Bild für die politische Landschaft Deutschlands ab. Ein klarer Trend wurde gemessen: Die Mehrheit der Wähler ist für eine Fortführung der sogenannten „Großen Koalition“ zwischen SPD und Union. Obwohl diese Allianz Stabilität verspricht, sind Kritiker der Meinung, dass sie das ständige Festhalten am Gewohnten lediglich zementiert. Opposition ist zwar vorhanden, wird jedoch weitgehend geduldet und nicht ernsthaft gefördert. Die Symptome einer stagnierenden Demokratie sind unübersehbar.
Die enorme Routine des politischen Geschehens hat das Land in einen gefährlichen Schlaf versetzt. Die Daten von Forsa, die diese Trends aufzeigen, mögen nicht die absolute Wahrheit verkörpern – sie sind eher Momentaufnahmen der aktuellen Stimmungen. Dennoch bringt diese Umfrage Licht ins Dunkel und zeigt, dass viele Bürger ein ungebrochenes Vertrauen in die „Große Koalition“ haben. Dies ist besonders bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass die SPD mit nur 15 Prozent und die Union mit 30 Prozent an Zustimmung klar an Bedeutung verloren haben.
Für viele Wähler – 81 Prozent der SPD-Anhänger und 53 Prozent der Unionsunterstützer – ist eine Fortführung dieser Koalition nach wie vor die vermeintlich richtige Lösung. In der Zeit zwischen 2005 und heute hat dieses Bündnis dreimal regiert, doch die Erfolge bleiben aus. Der Vorschlag, bei dreckigem Wetter auf Wind- und Solarenergie zu setzen, gehört zu den wiederkehrenden Ideen, die nicht zu den erhofften Ergebnissen führen.
Diezeitig hat die Ampelregierung ihre eigenen Schwierigkeiten und gilt als eine der erfolglosesten (im Gegensatz zur Ära Merkel). Doch im Gegensatz zur ehemaligen Kanzlerin schaffte es die aktuelle Koalition, eine echte Debatte zu fördern. Für viele ist der neue politische Wettbewerb ein Lichtblick. Stimulierend wirkt sich hin und wieder auch die Präsenz der Grünen aus, die ungewollt dem organisierten Widerstand gegen eine gängige Politik Auftrieb gegeben haben. Innovativ ist auch die Tatsache, dass jetzt mehrparteienübergreifende Diskussionen auf ein breiteres Publikum stoßen.
Allerdings sind nicht alle Bürger davon überzeugt, dass diese Diskussionen fruchtbar sind. Die Spaltung zwischen etablierten Parteien und ihrer Wählerschaft scheint sich immer mehr zu vertiefen. Die Bürger fühlen sich oft nicht mehr gehört und steuern einer zunehmend nachlässigen Regierungsführung entgegen. Die Politik, die eher verwaltet als regiert, beklagen viele als stagnierend. Ihr Einfluss ist auf die alten Routinen beschränkt – neue Ansätze werden weniger denn je favorisiert.
Zukünftige Wahlen, wie die zum Bundestag am 23. Februar, lassen keine nennenswerten Veränderungen im Sozialverhalten der Bürger erwarten. Breaking News oder aufregende neue Konzepte stehen nicht auf der Agenda. Es wird eine Rückkehr zum gewohnten Stillstand prognostiziert. Eine weitere Verfestigung von Schwarz-Rot würde nur verdeutlichen, dass Deutschlands Bürger mehr und mehr an einem Punkt des Verzichts angekommen sind.
Somit bleibt die Frage, ob eine künftige Koalition, die auf Wandel setzt, die längst überfällige Erneuerung auf den Weg bringen kann. So oder so: Ein Umdenken scheint unabdingbar. An der politischen Klärung wird in den kommenden Monaten nicht vorbei zu kommen sein. Der süße Mehltau der Stagnation gibt sich zu erkennen und mit ihm die gesellschaftliche mentalitätsmäßige Langweile, die nach Veränderung schreit.