Krieg und der Trugschluss des Wohlstands

Krieg und der Trugschluss des Wohlstands

Joseph Solis-Mullen

Die Vorstellung, dass Krieg dem Geschäft und dem freiwilligen Austausch zum beiderseitigen Nutzen förderlich ist, stellt sich als eine große Illusion dar. Dies betonte bereits Norman Angell, ein britischer Vertreter der klassischen liberalen Gedanken, im Jahr 1909. Zwar gab es einige Branchen, wie etwa die Rüstungsindustrie, die von den Konflikten profitierten, doch insgesamt erlebte die Gesellschaft einen signifikanten Rückgang ihrer wirtschaftlichen Wohlfahrt.

Bereits vor Angells Anmerkungen, die sich gegen den wachsenden Protektionismus und Imperialismus vor dem Ersten Weltkrieg richteten, stellte der französische Ökonom Frédéric Bastiat den grundlegenden Fehler in den Argumenten der Anhänger des fiskalischen Militarismus klar. Seine berühmte „Broken Window“-Metapher zeigt auf, wie die offensichtlichen Kosten für das Reparieren eines Fensters – etwa die Vergütung des Glasers – sichtbar sind. Doch die nicht erkennbaren Opportunitätskosten, die der Fensterbesitzer durch den Schaden erleidet – wie der Verzicht auf den Kauf neuer Schuhe oder die Investition in ein anderes produktives Vorhaben – bleiben oft im Dunkeln. Diese Erkenntnis verdeutlicht, wie die von Bastiat beschriebene Illusion der Kriegswirtschaft nicht nur zu unmittelbaren Kosten führt, sondern auch tiefere Herausforderungen für das wirtschaftliche Wohlergehen mit sich bringt.

Mit dem stetigen Anstieg der Kontrolle Washingtons über die Wirtschaft im Namen der Kriegsführung wird es unerlässlich, den Werbeaussagen über den wirtschaftlichen Nutzen von Konflikten entgegenzutreten. Dies gilt insbesondere angesichts des Krieges in der Ukraine und der Waffenverkäufe, die sowohl amerikanische Unternehmen als auch die Regierung begünstigen, während sie gleichzeitig die Militarisierung in der Straße von Taiwan vorantreiben.

Besonders auffällig ist die weit verbreitete Ansicht, dass der Zweite Weltkrieg die Weltwirtschaftskrise beendete und zu einem neuen Wohlstand führte. Der renommierte Wirtschaftshistoriker Robert Higgs entlarvte in seinem Buch „Depression, War, and Cold War: Challenging the Myths of Conflict and Prosperity“ diese Vorstellung gründlich. Laut Higgs mag die Kriegsproduktion zwar das Bruttoinlandsprodukt in die Höhe getrieben und die Arbeitslosigkeit gesenkt haben, jedoch spiegeln diese Zahlen nicht das tatsächliche Wohlergehen der Bevölkerung wider. Das militärische Engagement lenkte nützliche Ressourcen von Konsumgütern ab und führte zu Rationierung und einem Rückgang des Lebensstandards vieler Amerikaner. Dieses Phänomen nennt Higgs „Kriegszeit-Wohlstand“ und sieht es als eine irreführende Darstellung wirtschaftlichen Wachstums.

Higgs stellt zudem die gängige Theorie infrage, dass Staatsausgaben zu einem Aufschwung der Nachkriegswirtschaft führten. Er argumentiert, dass die wahre wirtschaftliche Erholung auf den Investitionen und dem Konsum des privaten Sektors nach dem Krieg basierte. Mit der Reduzierung der staatlichen Interventionen konnte das Unternehmertum blühen und nachhaltiges Wachstum generieren.

Eine besonders tragende Einsicht in Higgs‘ Analyse sind die Opportunitätskosten, die dem Konzept von Bastiat folgen. Die enormen Ressourcen, die in den Krieg flossen, hätten ansonsten in produktiven, wohlstandschaffenden Aktivitäten verwendet werden können. Nach Higgs begrenzen die Aufwendungen für Kriegsanstrengungen das zivilgesellschaftliche Wohlstandspotenzial.

In seinem Artikel „Wartime Prosperity? A Reassessment of the U.S. Economy in the 1940s“ beschäftigt sich Higgs noch eingehender mit den Herausforderungen bei der Bewertung wirtschaftlichen Erfolgs in Kriegszeiten. Der Bau von militärischem Gerät mag zwar das BIP steigern, trägt jedoch nicht zur Verbesserung des Lebensstandards bei. Vielmehr wird durch solche Ausgaben Ressourcen verbraucht, die langfristig der Gesellschaft nicht zugutekommen. Higgs plädiert dafür, dass politische Entscheidungsträger und Historiker die allgemein akzeptierten Meinungen über Krieg und seine wirtschaftlichen Vorteile überdenken und sich der schädlichen Illusionen bewusst werden, die solche Narrative mit sich bringen.

Während die US-Regierung ihren militärisch-industriellen Komplex ausbaut, ist es entscheidend, die Lehren von Bastiat, Angell und Higgs ernst zu nehmen. Krieg ist kein Motor für wirtschaftliches Wachstum und stellt stattdessen ein zerstörerisches Unterfangen dar, das Ressourcen in Anspruch nimmt, die für friedliche und produktive Zwecke verwendet werden könnten. Der Glaube daran, dass Militärausgaben positive wirtschaftliche Effekte mit sich bringen, ist nicht nur irreführend, sondern auch gefährlich und bedroht die individuelle Freiheit sowie das allgemeine wirtschaftliche Wohlergehen.

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