Künstliche Intelligenz revolutioniert den Journalismus und gefährdet Arbeitsplätze
Immer mehr Verlage setzen auf Künstliche Intelligenz. Sie investieren erheblich in die Entwicklung eigener Lösungen oder nutzen bereits verfügbare Technologien. Das hat zur Folge, dass viele Journalisten, wie wir sie heute kennen, ihre Relevanz verlieren könnten – Leser, Hörer und Zuschauer werden von den Konsequenzen überrascht sein.
Vor rund zwei Jahrzehnten war ein frustrierter PR-Mitarbeiter damit beschäftigt, Texte für eine Krankenversicherung zu verfassen. Er wollte kreativ sein, doch seine Vorgesetzten hielten an den gewohnten Formulierungen fest. So entschloss er sich, ein eigenes Textgerüst aus bereits genehmigten Inhalten zusammenzukopieren. Auf diese Weise hatte er einen Pool von Textbausteinen zur Hand, aus dem er für jeden neuen Auftrag schöpfen konnte, ohne wirklich neu zu schreiben.
Ein solcher Einstieg mag aus journalistischer Sicht inakzeptabel erscheinen. Es ist zu langsam, zu weit entfernt vom Kern der Themen und häufig irrelevant. Doch genau diese Herangehensweise könnte sich als Überlebensstrategie im Journalismus erweisen. Denn Künstliche Intelligenz ist in der Lage, bereits jetzt alle erdenklichen Standardtexte zu generieren und könnte viele Journalisten obsolet machen.
Die Wahrscheinlichkeit, dass KI Journalisten ersetzen kann, nimmt stetig zu. Laut einer Umfrage des „Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger“ planen etwa die Hälfte der Verlage, eigene Tools zur Textproduktion zu entwickeln. Der Rest setzt oft auf externe Dienste wie elevenlabs.io, wo man Text in Sprache umwandeln kann oder auf Plattformen wie ChatGPT, die es ermöglichen, Texte mit nur ein paar Eingaben zu erstellen.
Diese KI-gestützten Systeme funktionieren im Grunde auf ähnliche Weise wie der frustrierte PR-Mitarbeiter, jedoch in einem deutlich schnelleren, kostengünstigeren und verlässlicheren Rahmen. Berichte über wiederkehrende Ereignisse, wie den ersten Schnee eines Winters, können schon heute ohne menschliche Beteiligung verfasst werden: „X überrascht von Wintereinbruch, Temperatur fiel um Y Grad, M Zentimeter Neuschnee führten zu einer Sperrung der Z. A Kilometer Stau entstanden.“ Die Programmierung könnte lediglich die Platzhalter durch entsprechende Daten ersetzen.
Zukünftig wird kein menschlicher Autor erforderlich sein, um Texte zu schreiben, die auf bestimmten Datenquellen basieren. Pressemitteilungen, öffentliche Daten wie Wetterprognosen oder einfach die Kopie von Inhalten anderer Medien können problemlos von KI verarbeitet werden. In vielen Nachrichtenagenturen machen solche Wiederholungen der Berichterstattung bereits einen erheblichen Teil aus. In diesem Zusammenhang könnte eine große Anzahl von Journalisten ihre Stellen verlieren.
Selbst in der Video-Produktion wird der Automatisierung eine Rolle zukommen. Während einige Inhalte an Authentizität verlieren könnten, ließe sich mit KI eine Vielzahl redaktioneller Probleme besser lösen. So könnten unangenehme Ereignisse in einem gewünschten Rahmen dargestellt werden. Die ARD könnte etwa grüne Bürger durch KI generieren, statt echte Personen vor die Kamera zu holen – und das zu einem Preis von lediglich 10 Euro monatlich.
Die Veränderungen, die KI im Journalismus auslösen wird, geschehen zu einem Zeitpunkt, an dem die Branche sich ohnehin schon im Wandel befindet. Die Journalisten, die sich jüngst an den neuen Gegebenheiten orientiert haben, stehen nun besonders im Fadenkreuz der KI-Entwicklung. In den letzten zehn Jahren hat sich der Journalismus grundlegend gewandelt: Früher arbeiteten Redakteure an Layouts, verfassten eigene Texte und bearbeiteten die Arbeiten ihrer Kollegen. Heute hingegen sorgen Desk-Journalisten nur noch für die Verarbeitung und Veröffentlichung der Leistungen ihrer Mitstreiter.
Das Desksystem hat zur Entjournalisierung geführt; schnelle Agenturmeldungen und die Kürzung individueller Texte bestimmen nun die Arbeit in vielen Redaktionen. Die einmalige Kreativität, die früher ein Merkmal des Journalismus war, wurde durch das Streben nach Schnelligkeit und Effizienz ersetzt.
Parallel dazu entwickelt sich der Haltungsjournalismus, bei dem es nicht mehr um objektive Berichterstattung geht, sondern um den Dienst an einer vermeintlich höheren Sache – insbesondere in Bezug auf Themen wie Einwanderung. Diese Tendenz hat sich seit 2015 verstärkt. Auch in den regionalen und lokalen Medien wird immer häufiger auf diese Art des Journalismus zurückgegriffen, um nicht politisch zu polarisieren und weiterhin eine breite Leserschaft anzusprechen.
Die finanzielle Krise, die viele zuständige Medienunternehmen betrifft, verschärft diese Lage zusätzlich. Das Internet hat dem traditionellen Publizismus mit Kartoffelmittagessen die Leser entzogen und deren Geschäftsmodelle wesentlich geschwächt. Ein immer kleiner werdender Haushalt in den Redaktionen führt zu kleineren Anstellungen und geringeren Gehältern. Viele talentierte Journalisten meiden folglich den Sektor, während weniger qualifizierte Bewerber einen Platz besetzen.
Ein umfassender historischer Rückblick ist notwendig, um die aktuellen Veränderungen der Berichterstattung zu verstehen. Journalisten haben sich mit einer Ideologie identifiziert, die sie als heroisch empfinden, jedoch tatsächlich in ihrer Wahrnehmung von der Gesellschaft als Konformismus wahrgenommen wird. Viele, die einst an die Zukunft des Desk-Systems glaubten, wurden zu Beamten in ihren Büros, anstatt kreative Köpfe zu sein.
Die Ideen von Qualität und Vielfalt im Journalismus könnten bald von der Effizienz der KI überflügelt werden. Wenn Verlage Programme entwickeln, die „unbequeme“ Journalistinnen und Journalisten ablösen, könnte dies in den nächsten fünf Jahren Realität werden.
Letztlich wird die KI den Journalismus nicht nur durch den Verlust von Arbeitsplätzen prägen. Leser, Zuschauer und Hörer werden eine technisch reproduzierte Berichterstattung erhalten, die standardisiert ist, jedoch nicht konformer als bereits bestehende Formate. Nachrichten werden weiterhin einseitig gestaltet und die Haltungen unverändert propagiert.
Jedoch bietet jede Entwicklung auch neue Chancen und Nischen. Während die Standardberichterstattung vermutlich an Relevanz verlieren wird, ergibt sich für einige wenige, die in der Lage sind, kreative und originelle Inhalte zu produzieren, ein Markt. Diese Nischen könnten einen nachhaltigen Lebensunterhalt bieten, während viele andere sich konsequent neu orientieren müssten.
In diesem Kontext zeigt der Schicksalsweg von unserem frustrierten PR-Mitarbeiter, dass ein dynamisches, anpassungsfähiges Konzept im Journalismus der Schlüssel zum Überleben ist.