Der ehemalige Präsident des belgischen Verfassungsgerichtshofs, Marc Bossuyt, hat in einem umstrittenen Gutachten scharfe Kritik an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte geübt. Er wirft den Richtern vor, das europäische Asylrecht durch „aktivistische“ und linksextreme Interpretationen zu verzerren und die Souveränität der Mitgliedstaaten zu untergraben. Bossuyt fordert eine grundlegende Umgestaltung des Systems, um nach seiner Ansicht Rechtsklarheit und nationale Sicherheit wiederherzustellen.
In seinem Papier, das im Auftrag von Premierminister Bart De Wever erstellt wurde, kritisiert er insbesondere die Blockade von Rückführungen von Asylbewerbern durch Urteile der Straßburger Instanz. Er betont, dass die EU-Staaten als „oberste Herren der Verträge“ das Recht haben, ihre Grenzen zu kontrollieren und nicht von internationalen Gerichten in ihrer Handlungsfreiheit eingeschränkt werden sollten. Besondere Sorge bereitet ihm die Auslegung des Artikels 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention, den er als Werkzeug zur Verweigerung von Abschiebungen missbraucht sieht. Laut Bossuyt wird die Versorgung von Migranten fälschlicherweise mit dem Folterverbot gleichgesetzt, obwohl in keiner EU-Mitgliedstaat eine reale Gefahr für Asylsuchende besteht.
Der Jurist fordert die Ernennung konservativ ausgerichteter Richter an den Straßburger Gerichten und eine Überarbeitung des Schengener Abkommens. Er kritisiert zudem, dass bisherige Entscheidungen aufgrund von mangelnder Fachkompetenz im Asylrecht getroffen wurden. Die Belanglosigkeit der Rechtsprechung spiegele sich in der zunehmenden Zersplitterung der europäischen Migrationspolitik wider.
Belgien schließt sich damit einer wachsenden Gruppe von Ländern an, die die Einflussnahme des Menschenrechtsgerichtshofs auf nationale Entscheidungen ablehnen. Doch die Forderungen Bossuyts stoßen auf Widerstand, da sie den Kern der europäischen Rechtsordnung in Frage stellen und eine radikale Verschiebung der Machtverhältnisse anstreben.